Prinzipiell spricht nichts gegen den Einsatz einer kostenfreien oder sehr günstigen Lösung, wenn dann aber die Ansprüche steigen oder die Community bei OpenSource-Systemen bei selbst einfacheren Fragen zu wichtigen Vorgängen nicht helfen kann / nicht helfen will, ist dann ein Umstieg nicht immer von einem Tag auf den anderen realisiert und bringt meist das ein oder andere Problem mit sich, sobald man sich doch für eine ‘größere’ Lösung entschieden hat: Themen wie die Altdatenübernahme, andere Prozessabläufe, eine zumeist vollständig andere Nutzeroberfläche und eine andere “Denkweise” der Gesamtfunktionalität sind einige der Hürden, die genommen werden möchten. Und nicht jede WaWi, die über einen hohen Funktionsumfang verfügt, verspricht auch wirklich eine tägliche Arbeitserleichterung, eine Kostenersparnis, eine Schonung der Kapazitäten und Ressourcen und vielleicht sogar eine Prozess-Orientierung oder eine automatische, bi-direktionale Kommunikation mit anderen Komponenten und externen Applikationen:
ich war erst am Montag diese Woche bei einem unserer Neukunden vor Ort. Er hat ein anderes OpenSource-Shop-System und eine hier auch schon genannte Warenwirtschaft im Einsatz und hat täglich ein recht überschaubares Versandvolumen: mal 10, mal 15, mal 20 Pakete. Doch während unserer Projektberatung für die kommende pixi*-Installation hat er uns erzählt, wie das momentan so läuft: aufgrund einer fehlenden Rückstandsverwaltung stehen 30 bis 40 vorgepackte, unfertige Kartons am Packtisch. Für jeden existiert bereits ein Lieferschein. Auf jedem (!) Lieferschein sind handschriftliche Notizen, ob etwa Produkte noch fehlen, oder ausverkauft sind und vom Hersteller nicht mehr geliefert werden, dass der Kunde noch vor Versand der Bestellung einen Tausch wünscht, hier aber das neue Produkt gerade nicht vorrätig wäre - und ergänzt wird jeder Lieferschein mit verschieden farbigen Post-it-Notizen mit kryptischen Zeichen, die den jeweiligen Status der Sendung definiert. Das Lager ist geordnet und da stehen eben in einem Regal 100 Kartons an Schuhen, die alle absolut identisch aussehen. Mit jeder Kommissionierung muss man den richtigen Schuh in der richtigen Größe und Farbe suchen und muss dafür die winzigen Aufkleber auf den Kartons lesen. Und Adress-Etiketten? Per copy&paste werden die in Intraship generiert. Und die Versandbestätigung? Die wird manuell ebenfalls per copy&paste verschickt anhand einer Standardvorlage in Outlook. Und der Bestellstatus im Shop? Der wird trotz einer vorhandenen Schnittstelle jeweils manuell gesetzt.
Obwohl also eine Warenwirtschaft im Einsatz ist, sind die Prozesse nicht durchdacht, nicht effizient, nicht vollständig und verursachen in einigen Aspekten einen enormen Aufwand. Dass in Kürze ein Ladenlokal eröffnet werden soll und für diese Warenwirtschaft kein POS-Modul verfügbar ist, wäre ein weiteres Problem, denn wie sollen Bestände im Versandlager und im Ladenlokal synchronisiert werden, wie soll versucht werden, möglichst alle Waren schnellstmöglich zu verkaufen, wenn die beiden Komponenten gar nicht miteinander kommunizieren?
Und sobald der Shop beginnt, sich am Markt zu etablieren, könnte ein Vielfaches des momentanen Bestellvolumens nur noch mit viel, viel Personal irgendwie kompensiert werden.
Dieser Interessent hat sich für unsere Lösung entschieden und er wird in Kürze für alle aktuellen Aufgaben nur noch einen Bruchteil der Zeit benötigen, vorerst kein neues Personal einstellen müssen und diese copy&paste-Orgien zwischen den verschiedenen Applikationen sind auch nicht mehr notwendig und Outlook wird künftig nur noch für individuelle Kundenanfragen genutzt. Gleichzeitig wird die Service-Qualität deutlich optimiert und wir können nach der Installation alle kryptischen Post-It-Notizen im Altpapier entsorgen und die manuell ergänzten Lieferscheine schreddern. Und statt sich Gedanken um ein externes Kassen-System zu machen, nutzt er unser POS und kann sich in diesen Tagen auf die Einrichtung des Ladenlokals und die künftigen Marketing-Aktionen konzentrieren.
Wie Martina das auch angesprochen hat, will ich mit diesem kleinen Beispiel auch darlegen, dass ‘kostnix’ oder ‘günstig’ nicht zwingend die Vorteile bringt, die man sich wünscht. Aus monetärer Sicht, klar, man spart sich Geld. Aber spart man sich dann auch wirklich Zeit? Und hat keinen Stress mehr? Und kein Ärger? Oder geht die Minimal-Investition nach hinten los, es gibt verärgerte Kunden, Chaos zwischen WaWi und Shop, Bestandsprobleme, Zahlungsprobleme oder sogar Zahlungsausfälle und klingelt dann irgendwann alle paar Minuten das Telefon, weil Kunden einfach endlich wissen wollen, was eigentlich mit ihrer Bestellung los ist, ob das Geld angekommen ist, ob die Ware schon verschickt wurde, ob die Retoure schon bearbeitet wurde, ob die Gutschrift schon überwiesen wurde oder die meckern, weil sie 'ne falsche Größe zugeschickt bekommen haben oder versehentlich unterschiedliche Rechnungs- und Lieferanschriften vertauscht wurden und nun aus dem Geschenk ein Desaster wurde?
Natürlich muss immer das individuelle Preis-Leistungsverhältnis berücksichtigt werden, aber eine Investition ist nahezu immer notwendig. Entweder auf finanzieller Basis - oder auf zeitlicher Basis, wenn man günstige Lösung umzustricken oder Open Source-Systeme selbst anzupassen versucht. Oder wartet und wartet und wartet, bis endlich eine Schnittstelle oder ein Update verfügbar ist, um alle genutzten Komponenten endlich miteinander zu vernetzen.
In diesem Sinne, viele und sonnige Grüße aus München,
Chris (Mayr)
[email protected]